Grundsätzliches zur Herstellung von Experimentierspulen

Ein paar Gedanken und Tipps zum Spulenbau, zum Teil eher belanglos ...

Induktivität und Windungszahl

Nun, eigentlich ist die Sache klar: Eine Mittellwellenspule muss bei einem Drehkondensator von 500 pF etwa 180 uH haben, das kann man einfach ausrechnen. Sollte der Drehko weniger Kapazität haben, wird die Induktivität entsprechend erhöht, denn nach der Thomsonschen Schwingungsformel muss das Produkt aus Induktivität und Kapazität etwa 500 * 180 = 90000 betragen. Die eigentliche Frage ist, wie genau diese Induktivität angestrebt werden muss. Da wir ja keine Empfänger in Serie mit geeichter Skala herstellen, kommt es gar nicht so genau drauf an. Wenn die Spule 200 oder 220 uH anstatt der therotisch berechneten 180 uH haben sollte, macht es kaum was. Wir drehen halt den Drehko bei einem Sender am langwelligen Bereichsende nicht ganz so weit ein, und am kurzwelligen Ende gibt es immer reichlich "gemischten Salat". Deutlich zu wenig Induktivität sollte die Spule jedoch nicht haben, denn dann gelangen wir nicht mehr an das langwellige Bereichsende.

Nun, da die Induktivität nicht akribisch genau eingehalten werden muss, können wir uns auch bezüglich der Windungszahlen auf Erfahrungswerte verlassen und ruhig mit glatten Zahlen operieren (z.B. 120 statt 113 Windungen). Die Berechnung der Windungszahl ist bekanntlich eine etwas windige Sache; zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Außerdem gibt es bei einfachen Empfängerschaltungen ohnehin deutliche Verstimmungen. Man wundert sich manchmal, wo ein Sender nach einer etwas anderen Antennenankopplung plötzlich wieder auftaucht. Die Windungszahlen der Spulen, die ich im folgenden zum Nachbau empfehlen möchte, beruhen jedenfalls auf solchen Erfahrungswerten. Messungen haben aber ergeben, dass sie im "grünen Bereich" liegen.

Wenn es um Kurzwellen geht, wird oft gar nicht an die Induktivität gedacht. Man weiß es halt: Für das 49 m-Band gebraucht man so an die 20 Windungen, für die höheren Frequenen ein paar weniger. Spulenkörper? Irgendwas so dick wie der Zeigefinger. Das war's schon, und das funktioniert auch. Mit dieser Spule und einem Drehko in der Gegend von 300 pF können wir einen großen KW-Bereich abhören, in welchem irgendwo das 49 m-Bändchen liegt. Und noch andere.

Kupferdraht oder HF-Litze?

Mittelwellenspulen sollten mit HF-Litze gewickelt werden, damit sie eine hohe Güte erhalten. Trotzdem werden sie oft mit einfachem Kupferdraht gewickelt, und das Ergebnis scheint die Frage überflüssig zu machen. Also nur Theorie? Nicht ganz. Ich habe den Vergleich mit zwei ansonsten identischen Ferritstabspulen gemacht und festgestellt, dass der Unterschied enorm ist. Die Spule mit HF-Litze lieferte einen hörbar volleren, aber auch etwas dumpferen Klang.

Die bessere Güte einer HF-Litzen-Spule kann nämlich dazu führen, dass u.U die Resonanzkurve so scharf wird, dass die höheren Tonfrequenzen abfallen - deshalb der dumpfere Ton (Seitenbänder). Aber dieser Effekt tritt nur in Erscheinung, wenn die Schaltung den Schwingkreis nicht oder kaum belastet. Bei einfachen Schaltungen sind solche ausgeprägten Resonanzkurven kaum zu erwarten.

Jedenfalls sollte nach Möglichkeit auf HF-Litze zurückgegriffen werden. Andererseits weiß ich, dass mancher vor der Verwendung von HF-Litze zurückschreckt, begründet oder unbegründet. So gilt das Abisolieren als ziemlich schwierig, es kann aber auch sein, dass geeigneter Kupferlackdraht schon vorhanden ist, z.B in Form eines alten Trafos. Wie dem auch sei, nach dem Motto, dass man einen Gegenstand immer unter ungünstigen Bedingungen testen sollte, habe ich habe alle Spulen erst mal mit CuL-Draht gewickelt. Sie erfüllen durchaus ihren Zweck.

Anzapfungen, wieviel und wo?

Diese Frage scheint mir ziemlich wichtig zu sein: Wieviel Anzapfungen soll eine Spule haben, und bei wieviel Windungen? Es gibt Spulenvorschläge mit genauen Angaben, z.B. 74 Windungen insgesamt, Anzapfung nach 31 Windungen. Man hat sich bestimmt etwas dabei gedacht, und in den vorgesehenen Schaltungen sind die Spulen zweifellos optimal. Doch wir wollen mit den Spulen experimentieren, und das bedeutet, dass sie unter den verschiedensten Bedingungen eingesetzt werden. Bei meinen Versuchen habe ich festgestellt, dass es günstig ist, wenn wir bezüglich der Anzapfungen beweglich sind. So hat sich als Idealform die Spule mit 4 Anzapfungen, also 5 Teilwicklungen, herausgestellt. Das gilt sowohl für Mittelwellen- als auch für Kurzwellenspulen. Die Anzapfungen werden gleichmäßig über die Gesamtspule verteilt. Eine solche, universell einsetzbare Spule, wird im folgenden mit "Universalspule" bezeichnet.

Bei den Universalspulen (Zylinderspule, Ferritstabspule und KW-Spule) bin ich noch einen Schritt weiter gegangen und habe eine sechste Teilwicklung hinzugefügt, mit der die Induktivität der Spule noch etwas erweitert wird. Für den Schwingkreis wird dieser "Überhang" nicht benötigt, wohl aber, um ohne Aufwand eine induktive Rückkopplung aufzubauen. Beim Schwingkreis bildet somit die erste Anzapfung das "kalte" Ende (oder die letzte das "heiße").

Schöne Spulen?

Die Frage ist gar nicht so abwegig. Sicher, es kommt vor allem darauf an, dass die Spule ihren Zweck erfüllt, und das kann eine klüngelig zusammengewickelte Spule genau so gut wie eine perfekt hergestellte Spule. Warum soll man nicht einen Schuhkarton nehmen, an die dreißig Drahtwindungen drumrumlegen, die Enden verknoten und anschließen? Nein, wenn's nur um das Funktionieren geht, muss die Spule nicht schön sein.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Die Spule ist das einzige Bauteil, das komplett selbst angefertigt ist. Radiohören mit der selbstgefertigten Spule ist immer mit dem Gefühl verbunden, einen ganz elementaren und wichtigen Beitrag zu dem an sich komplizierten Vorgang geleistet zu haben. Das tut gut (mir jedenfalls), und ich denke, die Spule hat es einfach nicht verdient, wild zusammengewurschtelt zu werden. Obwohl, andererseits ... So ein Schuhkarton hat auch einen gewissen Charme.

... und noch einige Tipps

Auch das Abisolieren und Verzinnen von Kupferlackdraht kann lästig sein, wenn man versucht, den Lack mit Schleifpapier zu beseitigen oder die Drahtenden rundherum mit einem Messer abzuschaben. Es geht einfacher, indem der Lack mit dem Lötkoben zum Schmelzen gebracht wird, er wird beim gleichzeitigen Verzinnen weggeschwemmt. Leider dauert es lange, denn Lack ist kein guter Wärmeleiter. Wenn man jedoch vorher eine Seite flüchig abschabt hat und den Lötkolben direkt an die blanke Stelle hält, geht es schneller, wesentlich schneller.

Für das Abisolieren von HF-Litze wird oft empfohlen, die Isolierung mit einer Spiritusflamme abzubrennen, das Ende in Spiritus zu löschen und die Verbrennungsrückstände sorgfältig abzustreifen. Das ist eine arge Spirituspanscherei, und wenn man nicht aufpasst, reißt ein Drähtchen ab oder die Litze jenseits der Zange gerät in Brand. Nein, auch der Lack an den feinen Drähtchen lässt sich mit dem Lötkolben wegschmelzen. Die Drähtchen müsssen sauber verdrillt sein; vor allem aber kommt es darauf an, dass man es gründlich macht. Immer wieder mit der Lötkolbenspitze drüber hergleiten, und zwischendurch mal die herausperlenden Lackrückstände mit dem Fingernagel abstreifen. Und: Erst erhitzen, dann den Lötdraht mit dem Flussmittel dranhalten.

Wer kennt das nicht: 30 Windungen sind sauber gewickelt auf der Pappröhre oder dem Ferritstab, dann kommt die erste Anzapfung. Man lässt los, und die schöne Wicklung springt auseinander. Man kann das Drahtende notdürftig mit etwas Klebeband fixieren, besser geht es aber mit dünnflüssigem (!) Sekundenkleber. Mit einer Hand wird die Spule so gehalten, dass der Draht gespannt bleibt, mit der anderen legt man einen dünnen Strang Kleber quer über die Wicklung. Der Kleber verläuft sofort zwischen den Windungen. Nach 10 Sekunden kann man loslassen, nach einigen Minuten weiterarbeiten. Auf lackierten Spulenkörpern trocknet der Klebstoff nahezu unsichtbar auf.

Oft werden Pappröhren als Spulenkörper verwendet. Die lassen sich hervorragend selber herstellen. Den Vorgang habe ich auf einer Extraseite beschrieben.

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